Zur Dynamik von Unrechts- und Aggressionsgefühlen in Geschlechterverhältnissen
Format: 
Vortrag
Sprache: 
Deutsch
Präsenzveranstaltung
11. Mai 2022 - 18:15 bis 19:45

1.G191

„Kränkung“ wird zumeist verstanden als eine besondere Art der Verletzung, die die eigenen Werte, das Selbstwertgefühl und den Gerechtigkeitssinn erschüttern kann. Bei absichtlichen Kränkungen handelt es sich um Demütigungen. Oft gesteht mensch sich Kränkungen nicht ein, aber gerade dann können sie sich nachhaltig negativ auswirken. Sie sind meistens mit moralisch konnotierten Gefühlen wie Missachtung, Scham und Empörung verbunden. In der Folge von vermeintlichem oder tatsächlichem Missachtetoder sogar Verachtetwerden können Aggressions-, etwa Rachegefühle entstehen. All diese Gefühle spielen in den Gefühlsdynamiken der gekränkten Person selbst, aber auch zwischen ihr und der/dem Kränkenden eine Rolle. Fatal ist das bei kollektiven Prozessen. Die Mischung von Ohnmachts-, Rechts- und Aggressionsgefühlen weist darauf hin, dass Kränkungen oft in Machtbeziehungen auftreten oder entsprechend interpretiert werden. Das gilt für persönliche Beziehungen ebenso wie für berufliche, öffentliche oder politische Kontexte, also auch in den Geschlechterverhältnissen. Zwar können alle Geschlechter leicht gekränkt werden, insbesondere in dem, was sie für ihre Geschlechtsidentität halten, aber gerade Männer gestatten sich oft nicht, Kränkungen klar zu benennen. Das Bekenntnis „Ich fühle mich gekränkt“ wird auf der Seite des Sprechenden zumeist als Eingeständnis von Schwäche verstanden, das verantwortliche Gegenüber fühlt sich oft hilflos und ohnmächtig unterschwelligen Aggressionen ausgesetzt.

Hilge Landweer

... , Professorin für Philosophie an der FU Berlin. Schwerpunkte: Phänomenologie, prakt. Philosophie, interdiszipl. Geschlechterforschung. Monographien u.a. Scham und Macht (1999); Philosophie der Gefühle. Von Achtung bis Zorn (2007, gem. mit C. Demmerling); Mit-Hg. u.a. von: Handbuch Klass. Emotionstheorien (2012); Wie männlich ist Autorität? Feministische Kritik und Aneignung (2018); The Routledge Handbook of Phenomenology of Emotions (2020).

Konzeption: 
Robert Gugutzer, Bettina Kleiner, Melanie Köhlmoos
Koordination: 
Amanda Glanert, Mandy Gratz, Marianne Schmidbaur