Zwar haben sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in Europa gewandelt, so dass die Unantastbarkeit männlich-sexueller Hegemonie und Gewalt gegen Frauen rechtlich sanktionierbar wurde, doch sind diese staatlichen Regulierungen von Geschlechtergewalt nach wie vor ambivalent und fragil. Die Perspektive einer feministisch-materialistischen Staatstheorie ermöglicht zum einen die Problematisierung der öffentlich-staatlichen Vernachlässigung geschlechtsbezogener und sexualisierter Gewalt wie zum anderen die Kritik staatszentrierter ‚Lösungen’ oder die Instrumentalisierung von geschlechtsbasierter Gewalt, z.B. in der Mobilisierung gegen Migrant*innen. Ein feministisch-materialistisches Staatskonzept leuchtet die Komplexität von staatlich institutionalisierten Gewaltstrukturen aus, gründet doch beispielsweise staatlich institutionalisierte Zweigeschlechtlichkeit in einer historischen Tradition physischer Gewaltsamkeit.
Darüber hinaus kann damit die Intersektionalität von Gewaltverhältnissen im staatlichen Feld sichtbar und kritisierbar gemacht werden, denn eine solch kritische Perspektive begreift Staatlichkeit als Arena von Geschlechterkonflikten und -auseinandersetzungen und eröffnet die Möglichkeit, Mechanismen der Konstruktion und der wechselseitigen Hervorbringung von Geschlechterverhältnissen und Identitäten, von Diskursen und staatlichen Institutionen sichtbar und analysierbar machen.
... ist Professorin für Politikwissenschaft an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien. Sie ist Vize-Sprecherin des universitären Forschungsverbunds GAIN (Gender: Ambivalent In_Visibilities). Forschungsschwerpunkte: feministische Staats- und Demokratietheorie, Rechtspopulismus und Geschlecht, Politik und Affekt. Aktuelle Forschungsprojekte: „POP-MED. Political and Media Populism: ‘Refugee Crisis’ in Slovenia and Austria”; “CURE – Cultures of rejection”.