Femi(ni)zide sind nicht nur umstritten in öffentlichen Debatten, sie sind auch kein anerkannter Begriff des deutschen Rechtsdiskurses. Rechtswissenschaft wie Rechtspraxis können wenig mit der Erläuterung anfangen, dass es um Fälle geht, in denen „Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind“. Dies mag daran liegen, dass sie wenig an Wissensbestände und Bewertungspraktiken zur rechtlichen Unterbindung, Verfolgung und Prävention von geschlechtsbezogener Gewalt anknüpfen können. Das Sexualstrafrecht, seine Reformen und (Nicht-)Anwendungen bieten viel Anschauungsmaterial für die Probleme des deutschen Rechtsdiskurses, Gewalt im Geschlechterverhältnis überhaupt zu erkennen und rechtlich zu erfassen. Änderungen schienen erst möglich, als sexualisierte Gewalt „nach Köln“ orientalisiert und als Problem „der Fremden“ beschrieben werden konnte.
Auch im Bereich der Tötungsdelikte sprach der Rechtsdiskurs lange Zeit nur in Bezug auf sog. „Ehrenmorde“ von „patriarchalem Besitzdenken“, welches als niedriger Beweggrund zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe führen konnte. Tötete ein weißer deutscher Mann seine Partnerin, weil sie ihn verlassen hatte oder verlassen wollte, wurden dagegen strafmildernd nachvollziehbare Gründe hierfür gefunden und ihm Gefühle von Ausweglosigkeit und Verzweiflung attestiert. Ein gehaltvoller Begriff der Femi(ni)zide weist strukturellen Rassismus zurück, der geschlechtsbezogene Gewalt nur bei „den Anderen“ verortet, und ermöglicht notwendigen Wissenstransfer wie rechtliche Erfassung von (tödlicher) Gewalt im Geschlechterverhältnis.
... ist Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor hat sie sich an der FernUniversität in Hagen, der Universität Hamburg und der Universität Greifswald mit rechtlichen Geschlechterstudien befasst. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören u.a. Antidiskriminierungsrecht, Menschenrechte (insbes. CEDAW und Istanbul-Konvention), Intersektionalität, Gewalt im Geschlechterverhältnis, Intimität und Öffentlichkeit, Geschichte der Frauenbewegungen und reproduktive Rechte.