Durch die Verflechtung der unterschiedlichen Krisen entstehen neue Dynamiken der Macht und der Gewalt, gepaart mit dem wachsenden Gefühl der Aussichtslosigkeit. Dabei ist Hilfe nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der Art und Weise, wie die Welt gedacht und gestaltet wird. Doch die Hilfe ist auch in ihrem kolonialen Erbe eingebunden, in rassistische Strukturen und in einer Marktorientierung und neoliberalen Agenda, die Ungleichheiten und Marginalisierungen (wieder) hervorbringt.
Diese kritischen Perspektiven auf Entwicklung und Hilfe aus postkolonialer und Post-Entwicklungsperspektive werden von feministischen, antikapitalistischen und antirassistischen Stimmen schon lange formuliert. Sie zeigen auf, wie das Hilfesystem selbst durch Institutionen, Konditionalität oder gebundene Hilfe Formen wirtschaftlicher und finanzieller Abhängigkeit verfestigt. Auf der nicht-materiellen Ebene wird der „globale Süden“ als Ort der Krisen und der Bedürftigkeit konstruiert, dessen Menschen über die Krise definiert werden – und nicht als Subjekte ihrer Selbst und ihrer Kontexte. Dabei werden momentan diese Konstruktionen von Welt als Ort durch die sich herausbildende Multipolarität herausgefordert.
Wie könnte eine Welt aussehen in der jede ein würdevolles Leben genießen kann und was für eine Hilfe braucht es dahin und drin?
Radwa Khaled-Ibrahim ist in Kairo aufgewachsen und 2011 als Aktivistin Teil der Revolution gewesen. Seit 2013 lebt und arbeitet sie in Ägypten und Deutschland. Sie ist Referentin für Kritische (Not-)Hilfe bei medico international. Die feministische Politikwissenschaftlerin arbeitet zu unterschiedlichen Themen unter anderem die (Un-)Möglichkeit einer feministischen Außenpolitik.