Der inhaltliche Ausgangspunkt des Forschungsprojekts, das durch den Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität sowie durch das Gleichstellungsbüro finanziert und in Kooperation mit dem Forschungsorientierten Kinderhaus der Frankfurt University of Applied Sciences (FRAUAS) im Zeitraum von 2017-2019 durchgeführt wird, war die empirisch abgesicherte Prämisse, dass Kinder schon im U3-Bereich mit ungleichheitsrelevanten Differenzkategorien operieren können und dies auch tun. Die Idee, diese Praktiken des „Doing Differences“ von klein auf in den Fokus eines qualitativ-rekonstruktiven Forschungsprojektes zu stellen, wurde mit dem Anspruch verbunden, einen Beitrag zur empirischen Genderforschung in der frühen Kindheit zu leisten. Zur Einstellung der Forschungsperspektive wurde sich dabei an den neueren Arbeiten zu den Praktiken der Humandifferenzierung orientiert. Über diese Fokussierung auf die mikroanalytische Handlungsseite sensu Hierschauer konnte das Forschungsinteresse im Rahmen einer theoretisch-systematischen Gegenstandsbestimmung zunächst in die forschungsleitenden Fragestellungen I und II übersetzt werden:I. Welche Differenz ist in den komplexen Interaktions- und Beziehungssituationen unter Kleinkindern wann und wo wirksam?II. Welche zugeschriebene soziale Zugehörigkeit ist wann und wie lange affektiv besetzt?Die forschungsleitenden Fragestellungen I und II wurde anschließend in die Forschungsperspektive einer reflexiven Analyse (Bourdieu) eingebunden, die ihrerseits für die mikroanalytische Handlungsseite des „Doing Differences“ in den Praktiken von Forschung sensibilisieren soll.Den Anspruch dieser Doppelperspektive, der sich mit Devereux (1973) sowie Lorenzer (1986) psychoanalytisch weiterdenken lässt, wurde in den forschungsleitenden Fragestellungen III und IV festgehalten:III. Welche Differenzlinien sind in den komplexen Interaktions- und Beziehungssituationen zwischen Forschenden und Feld sowie innerhalb der Forschungsgruppe wann und wo wirksam?IV. Welche zugeschriebene soziale Zugehörigkeit ist wann und wie lange im Forschungsprozess affektiv besetzt?Dabei knüpft die Studie an eine noch junge kulturkritische Position innerhalb des englischsprachigen Diskurses der Infant and Young Child Observation an. Im Sommersemester 2018 sowie dem Wintersemester 2018/2019 konnte das Forschungsprojekt in das Modul 16.2 „Forschendes Lernen“ an der FRAUAS eingebunden und in eine Forschungspraxis übersetzt werden. Die 20 Seminarplätze für das Lehr-Forschungsprojekt wurden vollständig belegt. Im Sommersemester 2018 konnten die 20 Studierenden nach einer theoretischen Einführung in unterschiedliche Theorien der frühen Kindheit zunächst in die Methodologie qualitativer Sozialforschung eingeführt werden. Im Anschluss wurde sowohl die Methodenpraxis der Young Child Observation als auch der Videographieforschung anwendungsbezogen vermittelt. Im Juni und Juli 2018 haben die Erhebungen in der Krippe des Forschungsorientierten Kinderhauses stattgefunden. Im Zentrum der Erhebung stand dabei ein 23-monate junges Mädchen, deren Bewegungen, Interaktionen und Beziehungserfahrungen im sozialen Raum beobachtet wurden. Die Beobachtungen fanden an insgesamt fünf Erhebungszeitpunkten für jeweils eine Stunde statt. Im Wintersemester wurde das Material tiefenhermeneutisch sensu Lorenzer (1986) analysiert.Im Sommersemester 2019 werden die zentralen Ergebnisse der Studie verdichtet, theoretisch-systematisch Begriffen und über eine Veröffentlichung einer Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die (Re-)Produktion von Differenz in Praxis, Forschung und Theorie am Beispiel der frühen Kindheit
Erziehungswissenschaft