Kulturelle Aneignung ist in aller Munde – im akademischen wie populären Diskurs. Es geht um Identität und Machtstrukturen und darum, wo Inspiration endet und unrechtmäßige Besitzergreifung beginnt. Die Diskussion wirft vielfältige Fragen auf: Wer darf wie worüber sprechen? Wie können marginalisierte Identitäten angemessen repräsentiert werden? Wie soll man umgehen mit populären Werken, die einer kritischen Betrachtung hinsichtlich der darin konstruierten Identitäten nicht (mehr) standhalten? All das sind hochaktuelle Fragen, mit denen sich Fanfiction jedoch bereits seit Jahrzehnten auseinandersetzt. Fanfictions sind im weitesten Sinne literarische Adaptionen populärer Texte: Fans eines Texts (eines Films, einer Fernsehsendung oder auch einer bekannten Persönlichkeit aus Sport oder Kultur) schreiben diesen Text fort und um, korrigieren und aktualisieren. Sie schaffen dabei oft auch eine größere Vielfalt im Figuren- und Themenspektrum oder explizieren, was im Quelltext nur Andeutung ist. Das muss nicht heißen, dass Fanfiction immer progressiv ist, die radikale Demokratisierung kultureller Texte, als die sie teilweise gepriesen wird. Aber: Fanfiction ist interessant als hochaktuelles Spiegelbild einer Vielzahl von Perspektiven. Dank ihrer Unmittelbarkeit – wenige Publikationsbarrieren, keine zeitliche Verzögerung und Lektorat nur auf freiwilliger Basis – kann sie früher und direkter als kommerziell veröffentlichte Texte jeder Form auf kulturelle Entwicklungen reagieren.Trotz dieser hohen Relevanz für vielfältige Forschungsinteressen findet eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fanfiction nur bedingt statt. Noch immer verweilen Fan Studies oft im sozial- bzw. kulturwissenschaftlichen Kontext und lesen Fanfiction als Ausdruck des Fan-Seins und mit sozialwissenschaftlichen Methoden wie der (Auto-)Ethnografie. Die geplante Dissertation soll zeigen, wie Fanfiction mit verschiedenen Ansätzen auch für die Literaturwissenschaft nutzbar gemacht werden kann, ohne dass der kulturelle Kontext verloren geht. Drei verschiedene Harry-Potter-Fanfictions werden mithilfe eines Close Readings durch die Perspektive von Gender/Queer Studies, Critical Race Studies und Memory Studies betrachtet. Vorangestellt wird eine allgemeine theoretische Betrachtung zur Fanfiction als Textgruppe, der Rolle von Affekt und Gemeinschaft in Produktion und Rezeption sowie dem Einfluss der Digitalisierung auf Inhalt und Ästhetik.
AN ARCHIVE OF ITS OWN. Three approaches to a literary analysis of fanfiction as a reflection of the cultural moment
Anglistik
Kulturwissenschaft
Literaturwissenschaft
Gender Studies
Queer Studies
Critical Race Studies
Memory Studies