Angela Davis Gastprofessur 2021, Ann Phoenix
Sprache: 
Deutsch und Englisch
5. Juli 2021 (all day) bis 15. Juli 2021 (all day)

Nach den Professorinnen Chandra Talpade Mohanty (2015) und Amina Mama (2018) ist es gelungen, Ann Phoenix für die Angela Davis Gastprofessur 2021 zu gewinnen.

Ann Phoenix
Ann Phoenix

Professorin für psychosoziale Studien am Institut für Erziehungswissenschaft, University College, London (UCL). Nach einem Studium der Philosophie, Ökonomie und Psychologie promovierte sie 1991 mit einer Untersuchung über Mütter unter 20 Jahren. Es folgte eine Tätigkeit als Senior Lecturer für Psychologie an der Open University und als Co-Direktorin der Thomas Coram Research Unit der University of London, bis sie als Professorin für psychosoziale Studien an das Institute of Education des University College London berufen wurde. 2014 wurde Ann Phoenix in Anerkennung ihrer überragenden wissenschaftlichen Leistungen mit einer Mitgliedschaft in der British Academy und der Academy of Social Sciences geehrt. Sie war und ist eine international gefragte Gastprofessorin. Mit ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement für eine kritische, empirische, intersektionale Forschung und Lehre hat Ann Phoenix Wissenschaftler*innen und Studierende weltweit inspiriert.

When Black Lives Matter All Lives Will Matter

Unter der Überschrift „When Black Lives Matter All Lives Will Matter“ veröffentlichte Ann Phoenix im September 2020 zusammen mit Absolventinnen des UCL einen Blogbeitrag. Die Autorinnen plädieren dafür, sich auf schwierige Gespräche einzulassen, gegen systemischen Rassismus Stellung zu beziehen, die Vielfalt von Rassismen anzuerkennen und darüber nachzudenken, was Dekolonisierung nicht nur für Bildung, sondern auch für Staat und Gesellschaft bedeutet. Sie betonen, dass Gespräche, bei denen Schwarzen Stimmen Raum gegeben wird, soziale Unterschiede überbrücken können. Dies aber erfordere Anstrengung und Mut. Um einen nachhaltigen Wandel herbeizuführen, müssten sich Universitäten grundlegend verändern: in Bezug auf Studierende, Beschäftigte und Lehrpläne. Kurzum: in Bezug auf die gesamte Organisation.

Intersektionalitätsforschung

Ann Phoenix ist eine der international herausragendsten Wissenschaftler*innen im Bereich der Intersektionalitätsforschung. Die Verbindung von Subjektivität und gesellschaftlichen Strukturen ist für ihre Arbeiten ebenso zentral wie die Verschränkung der Ungleichheitsdimensionen race, gender und class, die sie gegenstandsbezogen um weitere ungleichheitsrelevante Kategorien erweitert. In zahlreichen internationalen Forschungsprojekten und einer kaum überschaubaren Vielzahl von Publikationen setzt sich Ann Phoenix mit den Themen Mutterschaft und Familie, Schule und Rassismus, Kindheit und Jugend, Armut und Migration auseinander. Der Zusammenhang von Intersektionalität und Schwarzem Feminismus zieht sich als roter Faden durch ihr Werk.

Für mich ist es nicht möglich über Schwarzen Feminismus nachzudenken, ohne über Intersektionalität nachzudenken. Schwarzer Feminismus war ein inklusives Projekt. Er hat einfach gesagt: Schau, wir sind, in unserer Vielfältigkeit, ebenfalls hier. Aber er hat auch gesagt: Das hier ist eine Art und Weise zu denken, eine Möglichkeit, die soziale Welt zu verstehen.

Kindheit, Armut, Migration

Wie Kinder mit herausfordernden Familienverhältnissen, mit Armut oder durch Migration geprägte Beziehungen umgehen, ist eine der zentralen Forschungsfragen für Ann Phoenix. Sie untersucht zum Beispiel kindliches ‚Language Brokering‘ – Übersetzungsleistungen von Kindern, die mit einer Verschiebung von Machtpositionen und Generationenverhältnissen innerhalb wie außerhalb der Familie verbunden sind. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeiten liegt im Bereich geschlechtlicher Sozialisation, die – so ihre Überzeugung – nur intersektional zu verstehen ist. Kinder lernen von Beginn an, dass sich Geschlechterdifferenzen zwischen Schwarzen und weißen Menschen unterscheiden. Rassismuserfahrungen prägen und durchdringen Geschlechterdifferenzen.

Wir alle sind immer mehrfach verortet. Zwar dezentrieren sich die unterschiedlichen Kategorien, denen wir angehören, aber sie greifen auch ineinander, so dass niemand jemals nur eine einzige vergeschlechtlichte Position, eine einzige rassifizierte Position und so weiter inne hat.

Schule und Rassismus, Black Masculinities, Black Femininities

Schule und schulische Bildung fungieren als soziale Platzanweiser, auch deshalb sind intersektional angelegte Untersuchungen des Schulalltags und seines Erlebens zentral. Ann Phoenix‘ Untersuchungen zu Black Masculinities zeigen, dass sich Schwarze Jungen vor allem an schulischen Interaktionskulturen und einem anerkennbaren Schülerhabitus abarbeiten, was sich negativ auf ihre Schulleistungen auswirkt. Schwarze Mädchen wiederum zeigen zwar bessere Schulleistungen, diese werden jedoch nicht selten von (weißen) Lehrer*innen abgewertet, da ihre Weiblichkeitsinszenierungen an mit Whiteness verbundenen Normen gemessen werden. Erziehung ist, so Ann Phoenix, durch komplexe Ungleichheitsverhältnisse strukturiert, die die Möglichkeiten und Vorstellungen davon, wer wir werden können, unterschiedlich verteilen.

Veranstalter*in: 
Konzeption: 
Bettina Kleiner, Helma Lutz, Marianne Schmidbaur
Koordination: 
Mandy Gratz

Die Angela-Davis-Gastprofessur für internationale Gender und Diversity Studies dient der Förderung internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit im Bereich Gender und Diversity.

Prof. Angela Davis gilt als richtungsweisend für die weltweit geführte Race-Class-Gender-Debatte und als Wegbereiterin kritischer Diskurse innerhalb der Gender und Diversity Studies. Ihre Perspektive auf sich überlagernde Formen der Ungleichheit auf Grund von Geschlecht, Ethnizität und Klasse ist als Triple Oppression – oder aktuell als Intersektionalitätsansatz – in die sozialwissenschaftliche Theoriebildung eingegangen.

Als erste Inhaberin der Gastprofessur war Angela Davis 2013 am Cornelia Goethe Centrum zu Gast. Nach dem erfolgreichen Auftakt wird die Gastprofessur in regelmäßigen Abständen mit eine*r international renommierten Frauen- und Geschlechterforscher*in besetzt.