Lohn-für-Hausarbeit revised vs. Müttergehalt. Zur theoretischen Konzeption von Sorge(-arbeit) und ihrer Politisierung
Feminismus
Queer Studies
Gesellschaftstheorie
Sorge und Care
Ökonomiekritik

Mit der Forderung „Lohn-für-Hausarbeit“ politisierten Feminist*innen bereits in den 1970er Jahren die unsichtbar gemachte reproduktive Arbeit, deren Abwertung – obgleich ihrer ansteigenden Kommodifizierung im Neoliberalismus – symbolisch sowie auch materiell persistent bleibt (Dalla Costa/James 1973; Koppetsch/Speck 2015; Bergmann et al. 2021). Die Politisierung von Sorge(- arbeit) erweist sich aber nicht nur für Feminist*innen als relevantes und fortwährend aktuelles Moment der Mobilisierung und als zentraler Einsatzpunkt der Kritik. So fordern ebenso rechte Akteur*innen die Aufwertung von (feminisierter) Sorge(-arbeit) – allerdings innerhalb einer binären Geschlechterordnung, starren Rollenbilder und hierarchischen Familienkonzepten (Speck 2019; FIPU 2019).Diese Dissertation ist ein Beitrag zur feministischen Debatte um Sorge(-arbeit), der darauf abzielt, materialistisch-feministische Konzepte von Sorge(-arbeit) weiterzuentwickeln, indem (1.) ausgehend von einer vergeschlechtlichten Arbeitsteilung theoretische Konzepte aus der feministischen Ökonomiekritik gequeert und dekolonialisiert werden. Diese Aktualisierung stellt eine Vermittlungsleistung dar, die ich entlang einer Rekonstruktion der Konzepte von Sorge(-arbeit) aus der Perspektive einer dialektischen Relationalität vollziehe. Dies macht (2.) Möglichkeiten zur Differenzierung der emanzipatorischen Potentiale der Politisierung von Sorge(-arbeit) besprechbar.Ich werde in meiner Dissertation nachzeichnen, dass feministische Konzepte von Sorge(-arbeit) auf der Annahme der Relationalität beruhen, die im körperlichen Sinne eine ontologische Grundlage derselben darstellt – aber auch mit normativen Vorstellungen verknüpft ist (Tronto 1993; Precarias a la Deriva 2014). Ich begreife feministische Relationalität dialektisch und nicht einseitig als Affirmation von Autonomie oder von Abhängigkeit (Allen 2008; Lux 2003; Benjamin 2015; Becker-Schmidt 2017; Maier 2019). Die unterschiedlichen feministischen Konzepte von Sorge(-arbeit) aber, so meine These, verstehen je nach Entstehungskontext und Stand der feministischen Theorieproduktion, entweder Autonomie oder Abhängigkeit als ihren Ausgangspunkt der Analyse sowie ihre politische Zielsetzung. In dieser Dissertation wird folglich eine Leerstelle gefüllt und Vermittlungen der unterschiedlichen feministischen Konzeptionen von Sorge(-arbeit) vollzogen.Eine systematische Analyse theoretischer Debatten sowie exemplarisch auch der Politisierung von Sorge(-arbeit) ist, so eine weitere These, nicht nur für die Weiterentwicklung feministischer Konzepte produktiv, sondern auch notwendig zur Differenzierung ihres emanzipatorischen Potentials. So gilt es etwa, mögliche Einfallstore reaktionärer Vereinnahmung zu benennen. Die theoretischen sowie empirischen Rekonstruktionen entlang des Spannungsfelds von Autonomie und Abhängigkeit sollen abschließend verknüpft werden, um damit Möglichkeiten für die Konzeption eines materialistisch, queer-feministischen Begriff von Sorge(-arbeit) zu diskutieren.