Angela Davis Gastprofessorin 2021: Ann Phoenix

2013 hat das Cornelia Goethe Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse (CGC) die Angela-Davis-Gastprofessur für internationale Gender und Diversity Studies eingerichtet. Die Gastprofessur dient der Förderung der internationalen und interdisziplinären Zusammenarbeit in den Bereichen Geschlechterforschung und Diversity. Die Einweihung durch die Namensgeberin, Aktivistin, öffentliche Intellektuelle und Wissenschaftlerin  Prof. Angela Davis, hat national wie auch international großes öffentliches Aufsehen erregt. Nach den Professorinnen Chandra Talpade Mohanty (2015) und Amina Mama (2018) ist es gelungen, für die diesjährige Angela Davis Gastprofessur Ann Phoenix zu gewinnen.

Ann Phoenix ist Professorin für psychosoziale Studien am Institut für Erziehungswissenschaft, University College, London (UCL). Nach einem Studium der Philosophie, Ökonomie und Psychologie promovierte sie 1991 mit einer Untersuchung über Mütter unter 20 Jahren. Es folgte eine Tätigkeit als Senior Lecturer für Psychologie an der Open University und als Co-Direktorin der Thomas Coram Research Unit der University of London, bis sie als Professorin für psychosoziale Studien an das Institute of Education des University College London berufen wurde. 2014 wurde Ann Phoenix in Anerkennung ihrer überragenden wissenschaftlichen Leistungen mit einer Mitgliedschaft in der British Academy und der Academy of Social Sciences geehrt. Sie war und ist eine international gefragte Gastprofessorin. Mit ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement für eine kritische, empirische, intersektionale Forschung und Lehre hat Ann Phoenix Wissenschaftler*innen und Studierende weltweit inspiriert.

When Black Lives Matter All Lives Will Matter

Unter der Überschrift „When Black Lives Matter All Lives Will Matter“ veröffentlichte Ann Phoenix im September 2020 zusammen mit drei Absolventinnen des University College London einen zweiteiligen Blog auf der Homepage des Erziehungswissenschaftlichen Instituts des UCL. Die Autorinnen plädieren dafür, sich auf schwierige Gespräche einzulassen, gegen systemischen Rassismus Stellung zu beziehen, die Vielfalt von Rassismen anzuerkennen und darüber nachzudenken, was Dekolonisierung nicht nur für Bildung, sondern auch für Staat und Gesellschaft bedeutet. Sie betonen, dass Gespräche, bei denen Schwarzen Stimmen Raum gegeben wird, soziale Unterschiede überbrücken können. Dies aber erfordere Anstrengung und Mut für eine Auseinandersetzung mit dem Schmerz. Um einen nachhaltigen Wandel herbeizuführen, müssten sich Universitäten grundlegend verändern: in Bezug auf Studierende, Beschäftigte und Lehrpläne. Kurzum: in Bezug auf die gesamte Organisation.

Intersektionalitätsforschung

For me it’s not possible to think about Black feminism without thinking about intersectionality. Black feminism was an inclusionary project. It was quietly saying, look, we, in our multiplicities are here as well. But it was also saying – this is a mode of thinking, this is a way of understanding the social world.

Ann Phoenix ist eine der international herausragendsten Wissenschaftler*innen im Bereich der Intersektionalitätsforschung. Die Verbindung von Subjektivität und gesellschaftlichen Strukturen ist für ihre Arbeiten ebenso zentral wie die Verschränkung der Ungleichheitsdimensionen race, gender und class, die sie gegenstandsbezogen um weitere ungleichheitsrelevante Kategorien erweitert. In zahlreichen internationalen Forschungsprojekten und einer kaum überschaubaren Vielzahl von Publikationen setzt sich Ann Phoenix mit den Themen Mutterschaft und Familie, Schule und Rassismus, Kindheit und Jugend, Armut und Migration auseinander. Dabei sind verschiedene Lebensalter – Kindheit, Adoleszenz und Erwachsenenalter – Gegenstand ihrer Analysen, in denen sie oft Perspektiven und Erfahrungen verschiedener Generationen zueinander ins Verhältnis setzt. Der Zusammenhang von Intersektionalität und Schwarzem Feminismus zieht sich als roter Faden durch ihr Werk.

Kindheit, Armut, Migration

Wie Kinder mit herausfordernden Familienverhältnissen, mit Armut oder durch Migration geprägte Beziehungen umgehen, ist eine der zentralen Forschungsfragen für Ann Phoenix.. Sie untersucht zum Beispiel kindliches ‚Language Brokering‘ – Übersetzungsleistungen von Kindern, die mit einer Verschiebung von Machtpositionen und Generationenverhältnissen innerhalb wie außerhalb der Familie verbunden sind. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeiten liegt im Bereich geschlechtlicher Sozialisation, die – so ihre Überzeugung – nur intersektional zu verstehen ist. Kinder lernen von Beginn an, dass sich Geschlechterdifferenzen zwischen Schwarzen Männern und Frauen von solchen zwischen weißen unterscheiden. Rassismuserfahrungen prägen und durchdringen Geschlechterdifferenzen.

We are all always multiply located, and the different categories to which we belong decentre each other, but always operate together, so that nobody is ever one gender position, one racialised position and so on.

Schule und Rassismus, Black Masculinities, Black Femininities

Schule und schulische Bildung fungieren als soziale Platzanweiser, auch deshalb sind intersektional angelegte Untersuchungen des Schulalltags und seines Erlebens zentral. Ann Phoenix‘ Untersuchungen zu Black Masculinitieszeigen, dass sich Schwarze Jungen vor allem an schulischen Interaktionskulturen und einem anerkennbaren Schülerhabitus abarbeiten, was sich negativ auf ihre Schulleistungen auswirkt. Schwarze Mädchen wiederum zeigen zwar bessere Schulleistungen, diese werden jedoch nicht selten von (weißen) Lehrer*innen abgewertet, da ihre Weiblichkeitsinszenierungen an mit Whiteness verbundenen Normen gemessen werden. Erziehung ist, so Ann Phoenix, durch komplexe Ungleichheitsverhältnisse strukturiert, die die Möglichkeiten und Vorstellungen davon, wer wir werden können, unterschiedlich verteilen.

Mehr über unsere diesjährige Gastprofessorin Ann Phoenix gibt es auf unserer Homepage, im Programmheft und auf dem Factsheet.

Aktuelle Hinweise zur Gastprofessur und COVID-19

Aufgrund der derzeit unabsehbaren Entwicklungen von COVID-19 behält sich das Cornelia Goethe Centrum vor, Veranstaltungen kurzfristig zu verschieben. Bitte informieren Sie sich vor Veranstaltungsbeginn über Zeitpunkt, Ort und Format der Veranstaltungen im Rahmen der Gastprofessur unter:
https://cgc.uni-frankfurt.de/das-centrum/angela-davis-gastprofessur/

Veranstalter*in

Cornelia Goethe Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse (CGC)
Akademische Gastgeberin: Bettina Kleiner (Fachbereich Erziehungswissenschaften)
Konzeption: Bettina Kleiner, Helma Lutz, Marianne Schmidbaur
Koordination: Lucas Schucht, Mandy Gratz

Für die Unterstützung der Veranstaltungsreihe bedanken wir uns sehr herzlich bei unseren Kooperationspartner*innen!